Ausgangssituation und Handlungsbedarf

Das Allgäu ist bekannt für seine landschaftliche Schönheit und zieht alljährlich mehrere Millionen Touristen an. Dabei spielen die natürlichen Gegebenheiten und das touristische Angebot eine große Rolle. Zudem werden die kleinräumige Landwirtschaft und das typisch romantische Bild der Kühe auf den Weiden wahrgenommen und als Merkmal der Allgäuer Landschaft geschätzt.

Im letzten Jahrzehnt hat sich dieses Bild verändert, und auch im Allgäu hat der Bau von Biogasanlagen zu einem Anstieg des Maisanbaus auf den Ackerflächen geführt. Insgesamt gibt es in den vier Landkreisen 42.786 ha Ackerfläche, davon sind 20.694 ha mit Mais bebaut (48,37%). In der Statistik geht allerdings nicht hervor, wieviel davon in Biogasanlagen bzw. in der Tierhaltung genutzt wird.

Im Dienstgebiet des AELF Kempten (Oberallgäu, Kempten, Lindau) waren im Jahr 2016 64,23% der Ackerfläche mit Mais bebaut, im Ostallgäu sind es 47,75% und im Unterallgäu 47,99%. Das AELF Mindelheim hat hier versucht, nach den Biogasbetrieben auszuwerten und kommt im Bereich des Energiepflanzenanbaus für Biogas auf ca. 64% Maisanbaufläche.

Der vermehrte Maisanbau wird von der Gesellschaft als ökologisch kritisch gesehen. Die Vorteile wie hohe CO2-Bindung, hohe Methanausbeuten, einfaches und pflanzenschutzarmes Anbauverfahren bleiben in der gesellschaftlichen Diskussion unbeachtet, während die nachteiligen Aspekte im Vordergrund stehen. Der Anbau in Form sehr enger Fruchtfolgen kann zu ökologischen Problemen wie Bodenerosion und Stickstoffeinträgen führen. Dies senkt in der öffentlichen Meinung weiter die Akzeptanz des Maisanbaus. Der mittlerweile etablierte Begriff der „Vermaisung“ wird dabei u. a. den Biogasanlagen zugeordnet. Dies vermindert die Akzeptanz der Bioenergie und führt zu einem viel wesentlicheren Problem: Dem Ausbau-Stopp der Energiewende.

Um dieser negativen öffentlichen Debatte entgegenzuwirken, ist die Wissenschaft schon seit Jahren daran interessiert, wirtschaftlich sinnvolle Alternativen zum Anbau von Silomais im Bereich der Energiepflanzen zu finden. Aufgrund geringerer Energieerträge konnten sich bisher wenige Alternativen im Energiepflanzenbau behaupten. Das Riesenweizengras als eine Alternative mit interessantem Ertragspotential erwies sich in verschiedenen Praxisversuchen bei Landwirten in der Region bereits als standortungeeignet.

Eine weitere, im Ertrag dem Mais konkurrenzfähige Alternative ist vor allem bei nicht optimalen Standortbedingungen die Durchwachsene Silphie (Silphium perfoliatum) als Energiepflanze. Die Durchwachsene Silphie bietet mit ihren zahlreichen Blüten vor allem im Allgäu die Möglichkeit, das Landschaftsbild aufzulockern. Daneben bietet die Silphie diverse Vorteile aus ökologischer Sicht: Als Dauerkultur werden Anbaumaßnahmen extensiviert. Energieintensive Bodenbearbeitung ist über einen Anbauzeitraum von bis zu 20 Jahren nicht mehr notwendig. Dies verbessert die Speicherung von CO2 im Boden und fördert die Bodenbiologie. Auch aus Sicht des Gewässerschutzes kann die Pflanze sehr positiv bewertet werden. Geringer Pflanzenschutzbedarf (lediglich im ersten Anbaujahr) und tiefes Wurzelwachstum verhindern Einträge in Boden und Grundwasser. Die kontinuierliche Bodenbedeckung verhindert Erosion und bindet Nährstoffe auch außerhalb der Hauptwachstumszeiten. Die Blüten bieten eine reichhaltige Nahrungsquelle für Insekten im blütenarmen Spätsommer. Aufgrund der langsamen Jugendentwicklung der Pflanze ist das invasive Potential der Durchwachsenen Silphie als gering zu bewerten. Bisher sprachen für die Landwirte praktische Argumente wie die hohen Kosten der Ausbringung über Setzlinge und fehlende Erträge im Etablierungsjahr gegen den Anbau dieser Energiepflanze. Dieses Problem konnte durch die Etablierung der Silphie als Untersaat im Maisanbau gelöst werden.

Die fehlenden Erträge können größtenteils durch die Deckfrucht Mais im ersten Jahr ausgeglichen werden. Besonders an Grenzstandorten für Silomais, zu welchen viele Standorte im Allgäu zählen, oder an schwer zugänglichen Feldern lohnt sich der Anbau. Dort gleicht der Methanhektarertrag jenem des Maises.

Die Durchwachsene Silphie könnte eine Chance der Biogasbranche sein, die Akzeptanz des Energiepflanzenbaus in der Öffentlichkeit wieder zu verbessern. Besonders im Allgäu bietet sich aufgrund des vielfältigen Tourismus die Möglichkeit eine Plattform zu schaffen und die Öffentlichkeit zu informieren, dass Politik vor Ort (Landkreise) und Landwirte gemeinsam durch innovative Ansätze aktiv den Energiepflanzenbau standortgerecht weiterentwickeln möchten.

Im Zuge des erwarteten Klimawandels (u. a. ist eine Zunahme von Starkniederschlagsereignissen prognostiziert) kann die Silphie zur Verminderung von Bodenerosion beitragen.

Um hier im Allgäu der Landwirtschaft einen Ein- bzw. Umstieg zu erleichtern, sollen in den vier Landkreisen Oberallgäu, Ostallgäu, Lindau und Unterallgäu Demonstrationsflächen geschaffen werden.

Handlungsbedarf besteht hier vor allem in Bezug auf die Öffentlichkeitsarbeit und Information der Landwirte und Verbraucher (Einheimische und Touristen). Mit Veranstaltungen und Informationstafeln an den Demonstrationsflächen soll die Anbaualternative dargestellt und die breite Öffentlichkeit erreicht werden. Die Landwirte sollen motiviert und zur Erweiterung des Energiepflanzenspektrums beraten werden.

Projektziele

  • Stärkere Verbreitung der Durchwachsenen Silphie in der Region Lindau, Oberallgäu, Unterallgäu und Ostallgäu und damit einhergehend Auflockerung des Landschaftsbildes
  • Öffentlichkeitswirksame Demonstration auf mehreren Flächen und Wissenstransfer an alle Beteiligten:
    • Motivation und Beratung der Landwirte zur Verbreitung
    • Information der breiten Öffentlichkeit
  • Steigerung der Akzeptanz für den Energiepflanzenanbau
  • Darstellung der vier Allgäuer Landkreise als aktive Partner der Landwirte sowie bei der Weiterentwicklung der Energiewende und des Umweltschutzes in der Region
  • Sensibilisierung der Verbraucher/ Öffentlichkeit für die Zusammenhänge der Themen Energiepflanzen, Klimawandel, Umweltschutz sowie die Bedeutung der Landwirte als „Energiewirte“
  • Verbesserung der Ökobilanz der Allgäuer Landwirtschaft in Bezug auf:
    • Bodengesundheit und Bodenlebewesen (Verringerung der Bodenerosion und Bodenverdichtung)
    • Biodiversität (v.a. Insekten, aber auch weitere Tiere)
    • Wasserschutz (Verringerung Vermeidung von Nitrateintrag)
  • Verringerung von Treibhausemissionen durch geringeren Treibstoffeinsatz
  • Verbesserung der Kooperation unterschiedlicher Interessensgruppen rund um den Energiepflanzenanbau
  • Erhebung, Sammlung und Dokumentation fundierter pflanzenbaulicher, betriebswirtschaftlicher und ökologischer Erfahrungswerte an den verschiedenen Standorten in der Region und Wissenstransfer an die Landwirte durch Beratung zur weiteren Etablierung der Pflanze im Allgäu
  • Beitrag zur Klimawandelanpassung

Maßnahmen

1. Schaffung einer qualifizierten Personalstelle: Ein Projektkoordinator mit Erfahrung in der Öffentlichkeitsarbeit und im landwirtschaftlichen Bereich, der als Ansprechpartner nach außen aber auch als Verbindungsperson zwischen den Kooperationspartnern zur Verfügung steht, soll eingesetzt Des Weiteren soll der Projektkoordinator die Öffentlichkeitsarbeit übernehmen, die Veranstaltungen organisieren sowie den Fortgang des Projekts überwachen und die Erhebung, Sammlung und Dokumentation der Daten übernehmen. Folgende Punkte sind dabei vorrangig:

  • Erstgespräche mit interessierten Landwirten, die entweder selbst eine Biogasanlage haben oder Mais für eine andere Biogasanlage an öffentlichkeitsnahen Flächen anbauen
  • Unterstützung und Beratung beim Anbau und nachfolgenden Fragestellungen
  • Nutzen der Demonstrationsflächen für öffentlichkeitswirksame Informationsmaßnahmen
  • Einbindung der Kooperationspartner und weiterer Projektunterstützer im Rahmen der geplanten Veranstaltungen: Bereits von Beginn an sollen auch weitere Projektunterstützer eingebunden Passende Projektunterstützer sind der Bauernverband, Imkervereine, Kreisgruppen BUND Naturschutz, Fachverband Biogas, Wasserwirtschaftsamt, EZA
  • Sammlung der Erfahrungen der Landwirte und Ausarbeitung eines Erfahrungsberichts

 2. Etablierung von Demonstrationsflächen in den vier Regionen (öffentlich zugängliche Flächen an Fahrradwegen oder öffentlich interessanten Plätzen)

(8 Flächen à 0,5-3,5 ha, Erntemehraufwand durch Seitenschneideeinrichtung à 250€/ha/a für 2. Und 3. Jahr)

  • Anbaukosten (Saatgut Maschinen)
  • Erntemehraufwand (Mehrkosten im Vergleich zu Mais durch Spezialtechnik)

3. Wissenstransfer/Öffentlichkeitsarbeit über

  • Darstellung des Projekts vor Ort an der Demonstrationsfläche (Hinweistafeln, Informationstafeln etc.)
  • Aufnahme des Themas in die Pflanzenberatung des jeweils zuständigen AELF
  • Organisation von Veranstaltungen (2 Veranstaltungen pro Demonstrationsfläche) unter Einbezug der Gemeinden und Landkreise
    • Fachveranstaltungen für die Landwirtschaft
    • Öffentlichkeitswirksame Veranstaltungen zur Information der Verbraucher / (16 Veranstaltungen à 400 €/VA, Beschilderung 5.000 €, Öffentlichkeitsarbeit Werbematerial, Anzeigen: 1.000 €/Jahr)
  • Einbindung des Projekts in die Öffentlichkeitsarbeit von Kooperationspartnern
  • Einbindung der Kooperationspartner in die Öffentlichkeit des Projekts
  • Erstellung von Informationsmaterialien (Internetauftritt im Rahmen der renergie e.V., Homepage, Flyer, etc.)

4. Erhebung, Sammlung und Dokumentation der pflanzenbaulichen und ökologischen Daten im Projektabschlussbericht

Projekt im Überblick
ProjekttitelMehr Vielfalt in der Energielandschaft – mit Durchwachsene Silphie
Projektträgerrenergie Allgäu e.V.
ProjektgebietGesamtes Allgäu
Beteiligte LAGRegionalentwicklung Westallgäu-Bayerischer Bodensee, bergaufland Ostallgäu (Koordination), Kneippland Unterallgäu Regionalentwicklung Oberallgäu
Gesamtkosten
81.694 Euro (brutto)
Fördersumme26.403,38 Euro (alle LAGn)
Projektlaufzeit2017-2020
ProjektstatusAbgeschlossen
FörderinstrumentLEADER 2014-2020
LES-HandlungszielHZ 2: Unterstützung von Energiesparmaßnahmen und alternativen Energieprojekten